Muslima als Reitbeteiligung - Erfahrungsbericht & Tipps

Assalamu aleikum und Hallo zusammen,

Muslima mit Kamera schaut auf ein gesatteltes Pferd.

kürzlich bin ich seit langer Zeit wieder mal auf einem anderen Pferd außer meinem geritten. Eine nette Bekannte von mir sucht nämlich eine Reitbeteiligung für ihre Pferde. Leider habe ich keine Zeit mehrmals die Woche mit ihr auf ihren Pferden reiten zu gehen, aber wenn ich Zeit habe, reiten wir gerne zusammen aus. Bin sozusagen die "Halbzeitreitbeteiligung".  Nun habe ich in einem der letzten Artikel erwähnt, dass nicht alle Leute eine Muslima als RB akzeptieren. Deshalb möchte ich hier nun meine positive Erfahrung weitergeben, um euch Mut zu machen zur Reitbeteiligung/Reiten: Traut euch, die Menschen beißen nicht, und die Pferde meistens auch nicht;-)

Zugegeben, in meinem Fall war es so, dass die Frau mich bereits vorher kannte, dementsprechend war sie auch nicht geschockt, als ich mit Rock und Kopftuch zu ihr an den Stall kam. Aber ich bin mir sicher, sie hätte auch freundlich reagiert, wenn sie es nicht gewusst hätte. Sie ist nämlich jemand, der viel Wert darauf legt, dass man gut reiten kann und vor allem lieb mit den Pferden umgeht und auch bei der Arbeit mit anpackt. Ob mit oder ohne Kopftuch.

Als ich kam, war ihr Norweger (auch: Fjordpferd), den ich reiten sollte, schon gesattelt, und sie hat ihren Hannoveranerwallach dann auch geputzt und gesattelt. Ob ich immer mit Rock reite, fragte sie. Ich sagte ja, und zeigte ihr stolz meinen neuen Reitrock. Sie war begeistert und meinte, das sei ja im Moment total in Mode diese Reitröcke. Sie bot mir einen Reithelm an, ich probierte ihn an und lehnte dann dankend ab "es tut mit leid, aber das passt mit der Frisur leider nicht" sagte ich lächelnd. Beim Reiten trage ich immer einen Dutt und dann passt der Helm halt nicht mehr. Ich trage auch andere Frisuren, aber die sind mir auf Dauer doch zu unangenehm und ich trage sie nur wenn ich den Helm tragen MUSS, also bei Pferderennen zum Beispiel. Kein Problem, dann reite ich also ohne. Am Waldrand steigen wir geschwind auf unsere Pferde auf und reiten los.
2 Stunden unterhalten wir uns 98 % der Zeit über Pferde und die Reiterwelt. Über Pferderassen, einen begeisterten Hobbyjagdreiter der auf seinem verrückten Pferd jedes Mal nur ganz knapp die Jagd überlebt, über den armen Totilas, Reitstile, Reitertypen, Pferdehaltung, Pferdeernährung und Selenmangel (Selen: ein Spurenelement) bei Pferden in unserer Region. 
Über Religion haben wir nicht gesprochen. Ich bin auch niemand, der von alleine das Thema anspricht. Wenn mich aber jemand danach nett fragt, bin ich grundsätzlich freundlich und offen und beantworte alle Fragen die er/sie wissen möchte. 

Die Frau, mit der ich durch den Wald reite, erzählt mir, dass sie zufrieden ist mit mir und meinem Reitstil und dass ich gut mit ihren Pferden zurechtkomme. Ich könnte gerne öfter kommen. Im Sommer mache sie auch ganz lange Ausritte bei denen in der Pause ein Glas Sekt getrunken wird. Gut, bei der Sektrunde werde ich aus religiösen Gründen sicher nicht anwesend sein, aber man kann ja anstelle der Sektflasche eine Flasche Cola oder so mitnehmen. Sicher kein Problem. 

Wieder am Stall angekommen, sattelten wir die Pferde ab und kratzten die Hufe aus, dann musste ich leider nach Hause fahren, hatte einen Termin. Hätte ihr gerne noch geholfen den Stall auszumisten. Ich hoffe, ich werde noch öfters mit ihr ausreiten, vielleicht mit meinem Pferd dabei oder ich reite auf ihren Pferden oder auch wieder auf dem Fjordpferd. Eine durchaus positive Erfahrung. 

Muslimin mit ihrem Apfelschimmel bei der Bodenarbeit.

Auch ich habe dreimal eine RB für meine Stute gehabt, beziehungsweise es versucht. Die erste war leider gar nicht zuverlässig, und die zweite kam nicht mit meinem Pferd zurecht, und das Pferd nicht mit ihr. Der dritte Versuch ist leider auch fehlgeschlagen, und dann habe ich die Sache erstmal sein gelassen. Was aber nicht heißt, das es für mich ausgeschlossen ist. 
Ich kenne auch eine Schwester mit Niqab, die eine RB hat und mehrmals die Woche reitet, also, scheut euch nicht davor was die Leute denken, einfach fragen, denn fragen kostet nichts :-) 



Zum Schluss ein paar kleine Tipps wenn ihr euch als Reitbeteiliung vorstellt: 

1) Freundlich lächeln. Ein nettes echtes Lächeln kommt immer gut an.

2) Selbstbewusst auftreten. Keine Scheu, weil ihr Muslime seid. Im Gegenteil, Muslim zu sein ist das Schönste auf der Welt und das darf man auch zeigen!

3) zuverlässig und hilfsbereit sein, und sich an Verträge und Abmachungen halten! Ein Muslim darf nicht lügen, betrügen oder die Abmachungen brechen.

4) Ehrlich sein. Sagt ehrlich, wie gut ihr reiten könnt, wie oft ihr Zeit habt und so weiter...

5) Gut mit den Pferden umgehen. Das ist selbstverständlich. Mit fremden Pferden gehe ich vorsichtiger um als mit meinem eigenen, denn es ist ein geliebtes Tier von dessen Besitzer und ich schätze sein Vertrauen, dass er mir entgegenbringt, wenn ich sein Tier pflege!

6) Zeige Interesse. Frage nach, wenn du etwas nicht verstehst. 

7) Akzeptiere die Entscheidung des Pferdebesitzers. Wenn der Besitzer das Pferd z.B. gebisslos reitet, oder es darf keine Karotten fressen, oder es muss Hufschuhe tragen, akzeptiere seine Entscheidungen, auch wenn du anderer Meinung bist. Versuche nicht, heimlich das Pferd umzuerziehen oder irgendwelche Experimente hinter dem Rücken des Besitzers durchzuführen, wie z.B dem Pferd die Mähne zu schneiden oder es im vollen Galopp auf ein Hindernis zu hetzen, wenn du weißt, dass es nicht springen kann. 

8) Toleriere keine Ausbeutung und schlechte Behandlung! Du mistet mehr den Stall aus, als zu reiten? Der Besitzer missbraucht dich als dein Sklave und beleidigt andauernd deinen Reitstil (obwohl du vielleicht sogar besser reitest als er)? Egal was du fragst die Antwort ist nein? Sprich den Besitzer freundlich darauf an und wenn er sein Verhalten nicht ändert, kündige und suche dir eine anderes Pferd auf dem du reiten darfst.  

9) Suche dir eine Frau als Pferdebesitzerin. Als muslimisches Mädchen/Frau achte darauf, dass du mit Frauen zusammen bist, und nicht mit Männern. Du wirst einige Zeit mit der Pferdebesitzerin verbringen, wahrscheinlich auch alleine mit ihr, und es ist unangemessen, dass du dasselbe mit einem Mann machst. Umgekehrt gilt das natürlich auch für muslimische Männer.

10) Achte IMMER auf deine Religion, egal wo du bist. Bete pünktlich, trage deinen Hijab und faste im Ramadan. Man kann im Stall beten, mit Hijab Sport machen und bei 33 Grad im Ramadan reiten. Wer auf seine Religion achtet, dem gibt Allah Erfolg im Diesseits und Jenseits, und wem die Dunya (das irdische, weltliche Leben) seine Priorität ist, dem legt Allah Armut zwischen seine Augen und zerstreut seine Angelegenheiten (er sieht nur Armut und Elend bei sich, auch wenn er der reichste Mensch der Welt ist). 

Eine Frau im schwarzem Niqab führt das Pferd, die andere reitet.