Donnerstag, 12. März 2020

Der Reitsport in Deutschland und die Muslime * Muslim equestrian situation in germany

Assalamu aleikum,




English version below!

heute möchte ich meine Gedanken zum Thema Reitsport in Deutschland mit euch teilen, aus muslimischer Sicht. Pferde und Reitställe gibt es alhamdulillah nahezu in jedem Dorf und jeder Stadt, und dennoch scheint es meist schwer und unerreichbar, der Traum vom Reiten... Es werden einem so viele Hürden und Steine in den Weg gelegt, dass manch einer den Traum vom Reiten gleich begräbt. Gehen wir von den zwei möglichen Ausgangspositionen der Reiter aus: Man hat ein eigenes Pferd oder man hat kein eigenes Pferd.
Gehört man zu der ersten Gruppe, hat man es in zwei Fällen noch relativ leicht: Man hat genug Geld, Zeit und ein Auto, oder man hat einen eigenen Stall. Dann hat man mit dem "komischen Reitervolk" relativ wenige Berührungspunkte bzw. kann den Stall einfacher wechseln wenn es einem nicht gefällt. Viele Pferdebesitzer sind aber mit ihrem Hobby Pferd immer knapp bei Kasse, haben auch vielleicht nicht immer ein Auto, und sind so in der Stallsuche relativ eingeschränkt. Dazu kommt die mangelnde Kompromissbereitschaft vieler Stallbetreiber. Die Höfe haben viel Platz und viele Wiesen, aber für das Pferd einer Muslima ist dann doch kein Platz mehr frei. Lieber werden zwei freie Boxen als Strohlager benutzt. Und ein Pferd alleine auf eine freie Wiese neben den anderen Pferden stellen weil keine Box mehr frei ist? Nein, das ist unmöglich. Das wäre ja nicht pferdegerecht - die anderen Pferde aber alle in der Box einsperren, das ist in Ordnung. Oder der Pferdebesitzer möchte mehr oder weniger Kraftfutter füttern, nein das geht nicht: Jedes Pferd bekommt das gleiche und basta. Man möchte sein Pferd im Sommer nachts auf der Wiese lassen? Nein, auch das geht nicht. Nicht einmal in Ruhe sein Pferd reiten kann man in manchen Ställen: ständig wird man beobachtet und es wird einem vorgeschrieben, wie man sein Pferd zu behandeln und zu reiten hat. Reitet man es selten, wird einem unterstellt, nicht genug Zeit fürs Pferd zu haben und es zu unterfordern, reitet man oft, ist das arme Pferdchen überlastet. In einigen Ställen nehmen die Lästereien überhand. Hat der Reiter einmal seinen bequemen Stall gefunden, oder vielleicht sogar seinen eigenen, ist es leicht, auf den anderen rumzuhacken, die es nicht so einfach haben. Die aus privaten Gründen eben nicht einfach mal einen anderen Stall suchen können, oder die es schwer haben, einen guten Stall zu finden, wo es Pferd UND Reiter gut geht. Selbst ist man nicht bereit, zu helfen, aber die anderen kritisieren, das können die meisten sehr gut.

Hat man kein eigenes Pferd und möchte Reitstunden nehmen oder auf einem Leihpferd/ einer Reitbeteiligung reiten, hat man es leider auch nicht einfach. Einer Muslima scheint man nicht zuzutrauen, dass sie reiten kann. Dass sie reiten DARF. Denn merke: Eine Muslima muss immer erst ihren Mann fragen, bevor sie den nächsten Atemzug nehmen darf * Ironie aus*. Hat die pferdeliebende Muslima dann endlich eine Reitschule oder ein Pflegepferd gefunden, kommt das nächste Problem: Mit dem Reitrock reitest du aber nicht hier, das ist viel zu gefährlich! Das Pferd könnte sich erschrecken wenn deine langen Kleider flattern! Und überhaupt: mit der weiten Kleidung am Bein und am Oberkörper kann man ja gar nicht sehen, ob du richtig auf dem Pferd sitzt! "
Im Allgemeinen wird muslimischen Frauen so einiges unterstellt, zum Beispiel dass sie kein Geld hätten um das Hobby Pferd zu bezahlen, dass sie mit "diesem Outfit" nicht richtig reiten könnten, und dass sie es sowieso niemals schaffen, irgendetwas im Leben zu erreichen, solange sie ein Kopftuch tragen.

Doch wir erreichen viel. Denn unser Ziel ist nicht das diesseitige Leben, unser Ziel ist das Paradies. Und mit jeder Erschwernis, mit jedem herabwürdigen Spruch von jenen, die uns meiden, mit jedem Stein, der uns in den Weg gelegt wird aufgrund unserer Religion, kommen wir unserem Ziel ein bisschen näher. Denn Allah liebt die Gottesfürchtigen und Allah ist mit den Geduldigen.

Es gibt schöne Ställe, nette tolerante Stallbesitzer und auch freundliche Reitbeteiligungen und Reitschulen. Doch sind diese leider oft in der Minderheit. Gerade als Muslim wird man als Außenseiter behandelt. Man passt eben nicht so gut rein, in die schöne heile Reiterwelt. Eine Muslima will man in Aldi an der Kasse sehen, am Hauptbahnhof, beim Arbeitsamt, als Putzfrau, oder ganz weit weg im Orient. Aber bitte nicht in einem deutschen Reitstall. Da gehört eine Muslima nicht hin. Aber warum denn nicht? Reitende Muslime sind eine ganz kleine Minderheit in diesem Land, noch eine kleinere Minderheit als Muslime allgemein. Und viele Menschen wollen mit Menschen einer anderen Religion, Hautfarbe oder Kultur eben nichts zu tun haben, weil sie in ihnen einen Eindringling sehen, jemanden, der ihnen einen Spiegel vorhält, dass man auch anders leben kann, als sie es gewohnt sind.

Man stelle sich eine Frau vor, nennen wir sie beispielsweise Monika, die einen normalem Bürojob nachgeht, danach in ihren SUV steigt und Richtung Reitstall fährt. Vorbei durch den Stau der Großstadt, vorbei an den vielen Ampeln. Ab und zu sieht sie auf der Straße ein paar Frauen mit langen Gewändern laufen oder Männer mit Bart vor der Moschee stehen. Das ist eine fremde Welt für sie, eine fremde Welt, mit der sie nichts zu tun haben will. Sie fährt weiter auf die Autobahn und nimmt die zweite Ausfahrt Richtung Reitstall. Endlich ist sie am Stall angekommen, wo ihr hübscher Palomino Wallach sicher schon auf sie wartet. Hier kann sie abschalten. Hier kann sie den Alltagsstress hinter sich lassen. Sie steigt aus ihrem Auto aus, betritt die Stallgasse und da ist es. Wie geschockt steht sie da. Wer ist das, diese fremde Frau mit dem langen Kopftuch, mit dem langen grünen Kleid, die an der Box neben ihrem Pferd steht und dem neuen Pferd im Stall Möhren füttert?
Sie sagt erstmal nichts. Bestimmt nur eine Besucherin, die vielleicht Reitstunden nehmen will. So kann sie jedenfalls nicht hier reiten, der Stallbetreiber wird sie sicher ablehnen, denkt Monika und geht zu ihrem Wallach. Die junge Frau mit dem Kopftuch dreht sich um, lächelt sie an, sagt freundlich hallo. Monika antwortet aus Höflichkeit: "hallo, bist du die Pflegerin für unser neues Pferd, das gestern angekommen ist?". Die Frau lacht; "nein das ist mein eigenes Pferd, wir sind gestern erst spät angekommen. Ich bin in diesen Stall umgezogen, weil ihr so eine schöne Reithalle habt. Hier kann ich mit meinem Pferd besser trainieren. Und hier kommen die Pferde auch täglich auf die Weide, nicht so wie in meinem alten Stall..." Monika schluckt. Was macht diese Frau aus dieser fremden Welt hier? Warum ist sie hier?
Da kommt ihre Kollegin Sandra um die Ecke. "Hi Monika, da hast du ja schon unsere Neue kennengelernt. Sie heißt Fatima und hat ein ganz tolles Pferd. Sie ist total nett, ich bin froh, dass sie so einen schönen Stall hier bei uns gefunden hat."

Diese kleine Geschichte dient als Fallbeispiel und steht für viele. Man ist es hier nicht gewohnt, dass Muslime in Milieus eintreten, die vorher nur dem 0815 Deutschen vorbehalten waren. Diese fremde Welt des Islams dringt ein an einem Ort, der von kitschigen Wendy Klischees umgeben ist - und in einem Wendy Heft kommt keine Burka vor. Die Burka ist im Orient, ganz weit weg. Da ist nun diese neue Muslima am Stall, die mit dem Kopftuch. Ob sie nun für einen Besuch kommt, Reitstunden nimmt, ein Pflegepferd hat oder ein eigenes in Pension einstellt, sie ist nun mit dabei, in einer Welt, in der man keine Muslime kannte. Sie reitet gut, trotz ihrer Kleidung, sie nimmt nicht beim Grillfest am Stall teil, weil das Fleisch nicht halal ist, sie übernimmt an Weihnachten und Sylvester den Stalldienst, weil sie sowieso nicht feiert, sie steht in der Scheune beim Strohlager und betet, über ihrem Sattel hängt der Gebetsteppich. Sie redet mit ihrem Pferd auf einer fremden Sprache und das Tier scheint es zu verstehen und sie ruht in sich selbst. Sie lästert nicht über die anderen Reiter, sie denkt immer einen Schritt voraus, sie behält die Ruhe auch ins schwierigen Situationen. Sie raucht nicht im Reiterstübchen und sie trinkt auch kein Bier auf dem Sommerfest. Eigentlich ist sie nur wegen dem Pferd am Stall, verschwendet ihre Zeit nicht mit Lästern, und im Ramadan verschwindet sie spätestens eine halbe Stunde vor der Dunkelheit wieder nach Hause. Dafür ist sie oft früh da, im Sommer, nach dem Morgengebet. Sie ist nicht immer um 16 Uhr am Stall wie die anderen, sie ist "nach Dhuhr" oder "bis Asr" am Reitstall. Im Sommer ist nach Asr dann 19 Uhr, im Winter ist es 15 Uhr. Sie trägt auch eine neue Reithose, aber die kann man nicht sehen, denn die ist unter dem langen Reitrock versteckt. Außer dass ein bisschen Dreck und Stroh ihre Kleider bedeckt, kann man nicht erkennen, dass sie Reiterin ist. Außer an den Stiefeln vielleicht - die zieht sie zum Beten dann aus. Steigt sie auf ihr Pferd, sagt sie nicht Hü sondern Bismillah.

Willkommen in dieser neuen, fremden Welt.
Inmitten dieser Pferdeherde
Egal wie verschieden wir sind, was uns eint in dieser Reiterwelt,
das sind unsere geliebten Pferde,
die uns als Vorbild dienen sollten,
was Toleranz und Respekt angeht.
denn das ist es doch, was wir immer wollten.
Inmitten dieser schönen heilen Reiterwelt
taucht diese Muslimin auf, mit ihrem langem Schleier
und ist dabei, und unser Vorurteil verfällt
sobald sie uns anlächelt
und sagt
Willkommen in meiner Welt!




English version:

Today I would like to share my thoughts on equestrian sports in Germany with you (from a muslim perspective). In almost every village and town there are horses and riding stables, however, the dream of riding seems mostly difficult and  unattainable... Let's start from the two possible starting situations for a rider: you have your own horse or you don't have your own horse.

If you belong to the first group, it is still relatively easy in two cases: you have enough money, time and a car, or you have your own stable. Then you have just a few points of contact with the "weird horsemen" or you can move to another stable more easily if you don't like the first one. However, many horse owners are always short of money with their hobby "horse", and may not always have a car, and are therefore relatively restricted in finding a good stable. In addition, many barn operators are unwilling to compromise. The riding stable may have a lot of stables and pastures, but there is no space left for a Muslim woman's horse. It is better to use two free boxes as straw storage. And put a horse alone on a free meadow next to the other horses because there is no horse box left? No, it is impossible. That would not be horse-friendly - but locking up the other horses in the boxes is okay. Or the horse owner would like to feed more or less hay, no that is not possible: every horse gets the same and thats it. Would you like to leave your horse on the meadow at night in summer? No, that doesn't work either. In some stables you cannot even ride your horse in peace: you are constantly being watched and prescribed how to treat and ride your horse. If you seldom ride it, it is assumed that you do not have enough time for the horse and if you do ride often, the poor horse is overworked.
Nevertheless, there are of course good barns here. Once the rider has found his comfortable stable, or maybe even owns his own, it is easy to bully those who are in trouble in finding a good stable to do riding sport. Some people can't just look for another stable or are having a hard time finding a good stable where horse AND rider are doing well. Some people are not ready to help those who are in need, but are very good at criticizing others.


If you do not have your own horse and would like to take riding lessons or ride a rental horse / riding participation, it is unfortunately not easy. Some people don't seem to be able to trust a Muslim woman to ride a horse. Because: A Muslim  woman always has to ask her husband before she can take the next breath * irony off *. If the horse-loving Muslim woman has finally found a riding school or a care horse, she faces the next problem, people will tell her: "But you are not riding here with a riding skirt, it is far too dangerous! The horse could be startled if your long clothes flutter! And anyway: with the wide clothing on the legs and on the upper body, I can’t see if you’re sitting properly on the horse! "

In general, Muslim women are accused of a lot, for example that they have no money to pay for the hobby horse, that they cannot ride properly with "this outfit", and that they will never be able to achieve anything in their life as long as they are wearing a headscarf.


But we achieve a lot. Because our goal is not this worldly life, our goal is paradise. And with every complication, with every derogatory look, with every stone that is put in our way because of our religion, we are getting a little closer to our goal. Because Allah loves those who fear God and Allah is with the patient ones.


There are beautiful stables, nice tolerant stable owners and friendly riding participations and riding schools here. Unfortunately, these are often in the minority. Especially as a Muslim, you are treated as an outsider. You just do not fit in so well, in the beautiful, intact riding world. People want to see a Muslim woman in the supermarket at the cash register, at the main train station, as a cleaning lady, or very far away in the Orient. But not in a German riding stable. A Muslim woman doesn't belong there. But why not? Riding Muslims are a very small minority in this country, still a smaller minority than Muslims in general. And many people do not want to have anything to do with people of another religion, skin color or culture because they see them as an intruder. They do not want to look in the mirror.

Imagine a woman, let's call her Monika, for example, who normally does her job in an office, then drives in her big car towards the riding stable. Driving past the traffic jams of the big city, past the many traffic lights. From time to time, she sees a couple of women with long robes running on the street or men wearing a beard standing in front of the mosque. It is a strange world for her, a strange world with which she does not want to have anything to do. She continues on the motorway and takes the second exit towards the riding stable. She has finally arrived at the stable, where her handsome palomino gelding is sure to be waiting for her. Here she can switch off. Here she can leave stress and troubles behind. She gets out of her car, enters the barn and there it is. She stands there in shock. Who is this, this strange woman with the long headscarf, with the long green dress, who stands at the stall next to her horse and feeds carrots to the new horse in the stable?

Monika doesn't say anything at first. She is just thinking: This muslim woman is only a visitor who might want to take riding lessons. She can't ride here anyway, the riding instructor will definitely reject her. Suddenly, the young woman with the headscarf turns, smiles at her and says hello in a friendly way. Out of courtesy, Monika replies: "Hello, are you the groom for our new horse that arrived yesterday?" The woman laughs; "No, that's my own horse, we arrived late yesterday. I moved to this stable because you have such a nice riding hall. Here I can train better with my horse. And here the horses can run free on the pasture every day, not like in my old stable ... " Monika does not know what to say. Why is she here? 
Her colleague Sandra comes around the corner. "Hi Monika, you already met our new one. Her name is Fatima and she has a really great horse. She is really nice, I am glad that she found such a nice stable here with us."


This little story is a case example and stands for many. It is not used here for Muslims to enter milieus that were previously reserved only for non-muslims. This strange world of Islam penetrates in a place that is surrounded by kitschy Wendy clichés - and there is no burqa in a Wendy magazine. The burqa is far away in the Orient. There is this new Muslim woman at the stable, the one with the headscarf. Whether she comes for a visit, takes riding lessons, has a care horse or retires her own, she is now there in a world where no Muslims were known. She rides well, despite her clothes, she does not take part at the barbeque party because the meat is not halal, she does the stable work on Christmas and New Year's Eve because she does not celebrate anyway, she stands in the barn and prays. The prayer rug hangs down from her saddle. She talks to her horse in a foreign language and the horse seems to understand her. She doesn't blaspheme about the other riders, she always thinks one step ahead, she keeps calm even in difficult situations. She doesn't smoke and she doesn't drink beer at the summer party. Actually, she is only at the stable because of the horse, does not waste her time with blasphemy, and in Ramadan she disappears at the latest half an hour before sunset. For that she visits the stable often very early in summer, after morning prayer. She is not always at 4pm at the stable like the others, she is "after Dhuhr" or "until Asr" at the riding stable. After Asr in summer it is 7 pm in winter it is 3 pm. She also wears new breeches, but you can't see them because they are hidden under the long riding skirt. She can be identified as a rider just because  a bit of dirt and straw are covering her clothes. And the boots - she takes them off for prayer. If she gets on her horse, she says Bismillah.


Welcome to this new, strange world.
In the middle of this herd of horses
No matter how different we are, what unites us in this equestrian world,
these are our beloved horses,
that should serve as a role model
in terms of tolerance and respect.
because that's what we always wanted.
In the middle of this beautiful, healthy riding world
this muslim woman appears with her long veil
and is there, and our prejudice lapses
as soon as she smiles at us
and says
Welcome to my world!








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