Montag, 6. Juli 2020

Der letzte Sommer - The last summer

Assalamu aleikum, 

(English version below!)

 


normalerweise schreibe ich ja nur wenig über mein Privatleben auf diesem Blog, und das ist auch gewollt so. Hier soll es nur um die Pferde gehen. Da aber das heutige Thema nun aber auch irgendwie meinen Blog betrifft, sollte ich nun doch etwas dazu erzählen... Um ehrlich zu sein. Um anderen Mut zu machen. Um mit dem Klischee aufzuräumen, dass man ein perfektes "Instagramlife" hätte, nur weil man als Blogger und in den Sozialen Medien aktiv ist. Einige von euch dachten schon, ich hätte meinen eigenen Reitstall! Nein, leider (noch) nicht. Ich bin eine ganz normale junge Frau wie ihr, ich habe auch eine Familie und ein Leben außerhalb des Reitstalls, ich wohne auch zur Miete und kämpfe mit den Problemen, die man als junge muslimische Familie in Deutschland nunmal so hat. Dazu kommt halt mein Hobby, die Pferde und das Reiten. 
Außerdem hatte ich euch ja in einem früheren Blogeintrag versprochen, zu erzählen, wenn wir mit unserem Pferd auswandern...

Nunja, warum habe ich diesen Eintrag den letzten Sommer genannt? Weil es der letzte Sommer mit meiner Stute war. Trotz der schönen, aber schwierigen Umstände, mit denen wir zu kämpfen hatten in all den Jahren in denen ich sie hatte, seien es Umzüge, Schule, Stallwechsel, Heirat, das neue Leben mit Baby,... Sie war immer dabei und es war immer schön mit ihr. Es gab Phasen, da war der Stall direkt bei mir am Haus, und wir sind jeden Tag lange ausgeritten... Und es gab Zeiten, da war der Stall weiter weg und ich habe es nicht jeden Tag zu ihr geschafft... Es war ein Auf und Ab. Dann gibt es Zeiten im Leben, da hat man viel Zeit fürs Pferd, wie damals nach der Schule, oder als ich mit meinem Mann zusammenzog und der Stall nur 5 Minuten Radweg entfernt von der Wohnung war... Dann kamen wieder Zeiten, wo der Stall weit weg war und mal das Auto kaputt, und ich konnte nicht hin, oder hatte keinen der auf mein Baby aufpasst, war zwar am Stall, bin aber nicht geritten... Aber irgendwie haben wir immer eine Lösung gefunden, egal wie schwierig es war. 

Vor einigen Monaten war wieder so ein Wendepunkt in meinem Leben, wo alles auf einmal kam. Leider schon wieder Umzug in eine andere Stadt, und damit bevorstehender Stallwechsel, Corona, private Änderungen... Aber diesmal war es anders. Diesmal wollten wir die Zeit der Änderungen nutzen, um unserem großen Traum, der Auswanderung, ein Stück näher zu kommen. Umzug in eine kleinere Wohnung, viele Sachen verkaufen, langfristige Verträge kündigen,... alles getan. Und spätestens mit der Auswanderung hätte ich mich von meinem Pferd trennen müssen. Ich habe jahrelang versucht, einen Weg zu finden, sie mitzunehmen, bis ich irgendwann gemerkt habe, dass es einfach nicht geht. Zumindest nicht für mich in meiner Situation. Der Gedanke, wieder die mühselige Stallsuche auf sich zu nehmen, mit dem Hintergrundwissen, dass ich in der Nähe der neuen Wohnung definitiv keinen neuen Stall finde, der unter 30 Minuten Fahrt entfernt ist, was wiederum bedeutet, dass ich nicht jeden Tag hinkann... Und das alles, um spätestens nächstes Jahr mein Pferd wegen der Auswanderung sowieso abzugeben. Das wollte ich weder unserer Familie noch meinem Pferd antun. 
Natürlich, wenn man sein Leben hier in Deutschland hätte verbringen wollen, hätte man sich vielleicht ein Haus gekauft oder gemietet und einen eigenen kleinen Stall gepachtet, und man hätte ein schönes idyllisches Leben hier geführt, mit Kindern, Pferden, vielleicht ein paar Ziegen und Hühnern... und das Problem Stallsuche oder wie komme ich zum Stall hätte sich erledigt, und man hätte auch mit Kind noch Zeit fürs Pferd gehabt, wenn das Pferd halt am Haus wohnt und man das Kind mitnehmen kann und nicht so weit weg fahren muss... Aber wir wollten und wollen uns es hier nicht bequem machen.

Ich hatte mir auch vorgestellt, ich gebe mein Pferd in gute Hände ab, und eine Woche später sitzen wir im Flieger und wandern aus. Aber so ist es leider nicht gekommen, ich hatte nur diesen Sommer die Gelegenheit, ein schönes Zuhause für meine Stute zu finden. Da sie in reiner Weidehaltung leben soll, wäre es nicht möglich gewesen, sie im Winter umzustellen. Auch wollte ich sie in guten Händen wissen, und so eine Möglichkeit wie die, die ich bekommen habe, kommt nicht zweimal... Lieber eine frühe, aber schöne Trennung, als eine späte schmerzhafte, wenn man das Pferd 2 Wochen vor Ablauf der Deadline an irgendeinen Hinz und Kunz abgeben muss. 




Mein Pferd hat es jetzt sehr gut, besser, als sie es bei mir je gehabt hätte. Sie ist jetzt den Rest ihres Lebens auf der Weide, darf fressen soviel sie will, wird nur selten geritten und jeden Tag von Pflegern umsorgt. Ich habe sie zurück in ihre Heimat gebracht, zu dem Gestüt von dem ich sie gekauft hatte...Ich habe sie nicht verkauft, das hätte ich nicht übers Herz gebracht nach alldem was sie mitmachen musste... Es war eine lange Geschichte, bis es endlich geklappt hat mit der Übergabe, ich möchte an dieser Stelle auf genaue Details verzichten, da dies den Rahmen sprengen würde... Es war wahnsinnig kompliziert, ich musste mit Fristen und Terminen, Papieren, Veterinäramt und Tierärzten kämpfen...Wenn ich jetzt darüber nachdenke, wie schwierig das war und wie lange das alles gedauert hat (und das innerhalb Deutschlands und der EU) kann ich über meine Idee, das Pferd mit nach Tunesien zu nehmen nur noch lachen.. Leider...Jetzt bin ich froh dass ich sie nicht mitgenommen habe sondern dass sie wieder in ihre Heimat kommt. Am Ende ist alles gut gegangen ist und Allah hatte einen Plan für mich, der viel besser war als mein eigener. 

Es ist sicher eine Ausnahme, dass ich so einen schönen Endplatz für meine Stute gefunden habe und sie immer besuchen darf... 
Aber für spezielle Fälle gibt es auch spezielle Lösungen. Und ich bin froh, dass es trotz der Turbulenzen am Ende alles geklappt hat... 


 
Es ist alles schon ein paar Wochen her. Das letzte Mal als ich an meinem alten Stall war, kam meine Stute mir auf dem Paddock schon entgegen. Ich habe sie umarmt, ein paar Leckerlies gegeben und gründlich geputzt. Danach habe ich ein letztes Mal den Sattel auf ihren Rücken gelegt und bin meine Lieblingsrunde im Wald ausgeritten. Es war alles wie immer. Ich bin viel getrabt und galoppiert, die Reitwege auf und ab, und dann im zügigem Schritt den Feldweg Richtung Stall wieder hinaufgeritten. Nach dem Reiten habe ich sie mit Wasser abgewaschen und eine Schüssel Hafer zu Fressen gegeben. Mein Mann und mein Sohn haben sich auch nochmal von ihr verabschiedet. Ich bin dann noch etwas alleine am Stall geblieben, habe sie auf ihrem Paddock beobachtet und ihre Stirn gestreichelt. Dann kamen mir doch fast die Tränen. Ich habe eine Dua gesagt, die Allah sicher erhört hat und hoffentlich eines Tages wahr machen wird: 
"Oh Allah, ersetze mir diesen Verlust den ich erleide mit etwas Besserem!"
Ich träume davon, in einem eigenen Haus mit eigenem Pferdestall und Araberpferden, in einem islamischen Land, zu leben. Ich arbeite auf diesen Traum hin und hoffe, dass er in einigen Jahren wahr werden wird.



Nachdem ich mein Pferd dann vor einiger Zeit in ihrem neuen Zuhause abgesetzt hatte und noch ein paar Tage dortgeblieben war, saß ich also wieder zu Hause... Ohne Pferd. Ohne Reitstall. Die alten Pferdesachen verschenkt oder im Müll.

Ein Teil meines Lebens war auf einmal weg. 

Allein die Gewissheit, dass es meinem Pferd bestens geht und ich regelmäßig über ihren Zustand geupdatet werde und Fotos erhalte, macht mir die Situation erträglicher. An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal meiner Freundin Emira danken, die mir in dieser schwierigen Zeit beigestanden hat. 
Keine Sorge, reiten tue ich noch. Aber eben nicht mehr auf meinem eigenen Pferd, sondern ich nehme immer mal wieder auf Leihpferden an Ausritten teil, buche eine Reitstunde oder reite bei Freunden, wenn es sich ergibt... Es ist alles nicht dasselbe. Aber immerhin ein kleiner Trost. 
Immer wieder frage ich mich, warum das alles. Habe ich alles richtig gemacht? Ich denke schon. Denn ich habe Istikhara gebetet und auch wenn ich sehr traurig darüber bin, dass mein Pferd nicht mehr bei mir ist und ich die vielen Stunden am Stall und meine Ausritte mit ihr vermisse, fühle ich mich auf eine seltsame Art und Weise frei. Frei von der Verantwortung, von dem gebunden sein, von der quälenden Frage was mache ich mit dem Pferd wenn wir auswandern... Ich habe jetzt alle Anker gelöst, die mich hier gehalten haben... Nun heißt es weiter sparen und vorbereiten für die Reise. Es wird noch ein wenig dauern natürlich... Aber zumindest ist man ein Stück weiter Richtung Endziel gekommen. Ich hätte am liebsten erst in ein paar Jahren davon erzählt, wenn vielleicht alles besser aussieht und ich ein schönes Bild präsentieren könnte wie alles geklappt hat, so wie die vielen Schwestern in den Social Media, die erzählen, wie sie dies und jenes geschafft haben, seien es ein eigenes Haus, die Auswanderung, Kinder, Pferde, eine eigene Pferderanch...Was man sich in der Dunja halt so wünscht. Aber ich bin noch jung und ich bin noch nicht so weit. Ich möchte euch aber an meiner Geschichte teilhaben lassen. Auf meinem Weg. Denn ich bin eine ganz normale mit dem Pferdevirus infizierte Muslima :-D Die euch teilhaben lässt an ihren verrückten Ideen und Geschichten. 

In shaa Allah werden bald wieder einige Pferdeartikel folgen;-)

Bis dahin, Assalamu aleikum!






English version: 

Assalamu aleikum,

I usually don't write much about my private life on this blog.... This blog is only about the horses part of my life... But since today's topic also affects my blog somehow, I should tell you something about it ... To be honest. To encourage others. To put an end to the cliché that you have a perfect "Instagramlife" just because you are a blogger. Some of my readers already thought I had my own horse ranch! No, unfortunately not (yet). I am a normal young woman like you, I also have a family and a life apart from the riding stable, I also live for rent and struggle with the problems that young muslim families in Germany have. Then there is my hobby, horses and riding.
In addition, I had promised you in a previous blog entry to tell when we emigrate with our horse (or not emigrate with our horse...).

Well, why did I call this entry the last summer? Because it was the last summer with my mare. Despite the good, but difficult circumstances that we have had to deal with over the years, be it moving house, school, changing stables, marriage, the new life with a baby ... She was always there and it was always nice with her. There were phases in my life when the stable was right next to my house and we rode out for long time every day ... And there were times when the stable was further away and I didn't make it to my beloved mare every day ... It was an ups and downs. Then there are times in life when you have a lot of time for the horse, like back then after school, or when I moved in with my husband and the stable was only 5 minutes bike ride away from the apartment ... Then came again times when the stable was far away and something happened that I couldn't go... or sometimes I had no one to take care of my baby, I were at the stable but didn't ride ... But somehow we always found a solution no matter how difficult it was.

A few months ago was another turning point in my life where everything came at once. Unfortunately again moving to another city, and with that the upcoming change of stable, corona, new working conditions, family changes ... But this time it was different. This time we wanted to use the time of the changes to get a little closer to our big dream, the emigration. Moving to a smaller apartment, selling a lot of things, terminating long-term contracts, ... everything done. And at the latest when I emigrated, I should have separated from my horse. I tried for years to find a way to take her with me until I realized that it just couldn't work. At least not for me in my situation. The thought of going back to the laborious search for a stable, with the background knowledge that I definitely will not find a new stall near the new apartment that is less than a 30-minute drive away, which in turn means that I cannot go there every day. And all of that, to give up my horse anyway next year because of the emigration. I didn't want to do that to our family or my horse.
Of course, if you had wanted to spend your life here in Germany, you might have bought or rented a house and rented your own small stable, and you would have had a nice, idyllic life here, with children, horses, maybe a few sheeps and chickens ... and the problem of finding a stable or how to get to the stable would have been resolved, and even with a child you would have had time for the horse if the horse lives at the house and you can take the child with you and don't have to drive that far. .. But we didn't and don't want to make ourselves comfortable here.

I had also imagined that I would put my horse in good hands, and a week later we would sit on the plane and emigrate. But unfortunately it didn't happen that way, I only had the opportunity this summer to find a nice home for my mare. Since she now lives in pasture keeping, it would not have been possible to change her in winter. I also wanted to know that she were in good hands, and a possibility like the one I got doesn't come twice ... It's better to have an early, but nice separation than a late painful one.

My horse is in very good shape now, better than she would ever have had with me. She is now in the pasture for the rest of her life, is allowed to eat as much as she likes, is seldom to not ridden at all and cared for by carers every day. I took her back to her homeland, to the stud farm I bought her from ... I didn't sell her, I wouldn't have had the heart to do after everything she had to go through ... It was a long story, until it finally worked out with the handover, I would like to forego exact details at this point,since this would go beyond the scope ... 
It was incredibly complicated, I had to struggle with deadlines and dates, papers, veterinary office and veterinarians ... Now when I think about how difficult it was and how long it all took (and that within Germany and the European Union) I can only laugh at my idea of ​​taking the horse to Tunisia .. Unfortunately ... Now I'm glad that I didn't take her with me but that she comes back to her homeland. In the end everything went well and Allah had a plan for me that was much better than my own.

It is certainly an exception that I have found such a nice place for my mare and can always visit her ...
But there are special solutions for special cases. And I'm glad that in the end everything worked out despite the turbulence ...
 
It's all been a few weeks ago. The last time I was at my old stable, my mare came towards me on the paddock. I hugged her, gave her a few treats and cleaned her thoroughly. Then I put the saddle on her back one last time and rode my favorite round in the forest. Everything was as usual. I trotted and galloped a lot, the bridle paths up and down, and then rode up the dirt road towards the stable in a brisk pace. After riding I washed my mare with water and gave her a bowl of oats to eat. My husband and my son also said goodbye to her. I stayed alone at the stable for a while, watching her on her paddock and stroking her forehead. Then I almost got tears. I said a prayer that Allah surely heard and hopefully one day will come true:
"Oh Allah, replace this loss I am suffering with something better!"
I dream of living in my own house with its own stable and Arabian horses in an Islamic country. I am working towards this dream and hope that it will come true in a few years.

After I dropped my horse in her new home a while ago and stayed there for a few more days, I sat back at home ... Without a horse. Without riding stable. The old horse things given away or in the trash.

Part of my life was suddenly gone.

Just the certainty that my horse is doing well and that I am regularly updated about her condition and that I receive photos makes the situation more bearable. At this point I would also like to thank my  friend Emira, who helped me during this difficult time.
Don't worry, I'm still riding. But not on my own horse anymore, I currently take part in horseback rides or ride with friends, or take a rental horse ... It is not the same of course. But at least a little compensation.


I keep wondering why all this. Did I do everything right? I guess so. Because I prayed Istikhara and even if I am very sad that my horse is no longer with me and I miss the many hours at the stable and my rides with her, I feel free in a strange way. Free of responsibility, of being bound, of the agonizing question of what I will do with the horse when we emigrate ... I have now loosened all the anchors that kept me here ... Now it is time to save money and prepare for our journey... It will take a little while of course ... But at least we comed a little further towards our final destination. I would have loved to tell you about it in a few years, when maybe everything looks better and I could present a nice picture of how everything worked out, like the many sisters on social media who tell how they did this and that, be it your own house, emigration, children, horses, your own horse ranch ... What we wish for in the Dunja. But I'm still young and I'm not that far yet. But I would like to share my story with you. On my way. Because I am a normal Muslim woman infected with the horse virus :-D who lets you share in her crazy ideas and stories. In shaa Allah some horse articles will follow soon ;-)

Until then, Assalamu aleikum!





















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