Dienstag, 24. November 2020

Mein Pferderennen * my horse race

Assalamu aleikum, 


(English version below)

vor einigen Jahren habe ich einmal an einem kleinen Pferderennen in Bayern teilgenommen, über meine Erfahrungen dort als Muslima möchte ich auch gerne berichten. Leider ist es bisher mein einziges Rennen gewesen, da es wirklich ein reines Amateur bzw. Freizeit-Rennen war, und es wurden weder Papiere noch Abzeichen verlangt. Das Preisgeld war auch sehr niedrig, eher eine Aufwandsentschädigung als eine Belohnung :-D Aber egal, es ging ja um den Spaß. 

Mein Mann und meine Mutter waren am Tag des Rennens dabei. Nachdem wir mein stures Stütchen endlich in den Hänger bekommen hatten, ging es los zu dem Dorf, wo das Rennen stattfinden sollte. Auf einer großen Wiese war eine Rennbahn abgesteckt. Es war ein sehr heißer Tag und die Rennbahn war umstellt mit vielen Menschen mit Anhängern und ihren Pferden und Ponies.

Zu dem damaligen Zeitpunkt hatte ich noch keinen Reitrock, also hieß es: Schwitzen mit Würde. Ich trug eine Reithose, damit ich festen Halt auf dem Sattel hatte, darüber einen Hosenrock, also eine Stoffhose die sehr breit geschnitten ist, und darüber einen normalen schwarzen Rock (welcher aber immer über die Knie rutschte beim Reiten, deswegen der Hosenrock darunter). Dazu trug ich ein langärmeliges T-Shirt in XXL und einen einfachen Amira Hijab aus Polyester. Den hatte ich mit einer Sicherheitsnadel am T-Shirt befestigt, damit er beim Rennen nicht hochfliegt. hat leider nichts gebracht, die Nadel habe ich bereits beim Trainingsumlauf vor Ort verloren. Natürlich keinen Ersatz dabei gehabt. Dumm gelaufen. 

Bereits vor dem Rennen war meine Stute derart wild und aufgekratzt, dass sie ein paar Mal stieg und bockte und mit dem Vorderhuf scharrte. Ich versuchte, sie zu beruhigen und ritt ein paar Runden über das Gelände. Aber sie ließ sich nicht beruhigen. Sie sah die anderen Pferde aus den anderen Rennen über den Platz fegen und wollte mitlaufen. Sie wurde immer wilder und war bereits nass geschwitzt, ohne dass das Rennen angefangen hatte. Es war ihr allererstes Mal, dass sie mit anderen Pferden und Menschen auf einem öffentlichen Turnier war. Sonst waren wir immer alleine in der Halle oder im Wald, da war sie wesentlich entspannter. 

Die Menschen auf dem Turnier hatten längst aufgehört, das Rennen zu verfolgen, sondern starrten nur meine Stute und mich an. Natürlich, eine Frau mit Kopftuch auf einem bekloppten Pferd, das ist ein Blickfang. Unter Reithelm und Kopftuch war ich bereits nass und hatte einen hochroten Kopf. Mein Rennen wurde aufgerufen und ich ritt mit den anderen Teilnehmern zur Startlinie. Ich hatte Angst. Ich wusste, jetzt wird mein Pferd durchgehen und wie ein wilder Stier über den Platz rasen. Wenn sie einmal richtig rannte, gab es kein Halten mehr. Unter anderem deshalb wollte ich an dem Rennen teilnehmen. Ich wollte sie einmal so richtig fetzen lassen, denn im Gelände würde ich so etwas nie machen, das wäre zu gefährlich. Ich wollte wissen, wie schnell sie wirklich wird wenn man alles aus ihr rausholt.

Der Startschuss fiel, da hatte ich mich noch gar nicht an die Linie gestellt. Die Pferde preschten los... Ich lag hinten. Aber wir holten auf. Die Kontrolle über die Geschwindigkeit hattte ich bereits verloren, mein Pferd rannte wie wild los und hatte nur noch eines im Sinn: an die Spitze zu kommen. Ihr Siegeswille war ungebrochen. Ich lenkte sie nur noch, um sie in der Bahn zu halten und trieb sie mehr an. Sie raste die erste Runde herum und holte vom fast letzten Platz auf Platz drei auf. Es ging in die zweite und letzte Runde. Langsam ließen meine Kräfte nach. Der Abstand zwischen mir und dem Pferd vor mir wurde größer.

"Ist die Türkin oder was!?", raunten sich die Zuschauer während des Rennens zu, als sie mich sahen. "Nein, sie ist Deutsche!" schrie mein Mann ihnen ins Ohr (das hat er mir später erzählt). Während des Rennens flog mir auch noch das Kopftuch vors Gesicht und der Hals war frei. Sehr peinlich. Ich beeilte mich, ihn zu bedecken, war aber damit beschäfigt mein Pferd unter Kontrolle zu bringen. 


In der letzten Kurve kamen wir zu weit an den Rand der Bahn und verloren wertvolle Zeit. Ich feuerte meine Stute nochmal an und sie holte auf. Wir ritten als Dritte durchs Ziel. Doch da ging das Rennen für uns erst los. Die anderen Teilnehmer bremsten ihre Pferde nach einer halben Runde aus und parierten zum Trab oder Schritt durch. Ich nicht. Wie von Sinnen, gestresst von den vielen Menschen und voller Adrenalin, raste meine Stute weiter. Mindestens ein oder zwei Runden um die Rennbahn herum. Kurz vor Schluss kollidierten wir fast mit einer  Teilnehmerin, welche entgegen der Richtung geritten kam. Im letzten Moment riss ich die Zügel rum und brachte mein Pferd in einen Kreis und schließlich zum Stehen. Ich war außer Atem. Meine Stute tänzelte nervös hin und her.

Die Sieger, darunter ich, wurden aufgerufen und bekamen Preise überreicht. Ein korpulenter älterer Herr reichte mir den Pokal entgegen und guckte dabei grimmig. Er sagte so etwas wie "passen Sie auf, dass Sie nicht andere Leute über den Haufen rennen". In dem Moment, so hab ich es später auf dem Video von der Preisverleihung gehört, sagte eine junge Frau: "Gab es hier nicht ein Burkaverbot!!??" Gerade hatte die Frau ihren abschätzigen Kommentar über mich abgegeben und der Herr mir missmutig den Pokal überrreicht, da drehte sich meine Stute urplötzlich um 180 Grad um und haute den unfreundlichen Mann mit dem Hinterteil um, sodass er strauchelte und fast fiel. Er fluchte wohl was für sich hin. Ich ritt weg zur Siegerrunde und galoppierte um den Platz. Dass mein Pferd jemanden erwischt hatte, habe ich erst später auf dem Video gesehen, in dem Moment hatte ich das gar nicht gemerkt, so aufgeregt war ich. Ein bisschen Schadenfreude überkam mich aber schon, mein Pferd hatte es diesen unfreundlichen Leuten einmal gezeigt! Ich war stolz, den dritten Platz gewonnen zu haben. Bei meinem ersten Rennen. Vielleicht war ich die einzige Muslima, die jemals an einem dieser Rennen teilgenommen hat, und wir hattten es ihnen bewiesen, dass eine Muslima auch reiten kann!


Nach dem Rennen versuchten wir mein aufgeregtes Pferd in den Hänger zu verladen. Sie war immer  noch auf 180 und ganz nervös von den vielen Leuten. Bei einem unserer Versuche, sie in den Hänger zu führen, trat sie nach hinten aus, riss sich los und raste davon. Es ging so schnell, dass ich erst ein paar Sekunden später mitbekam, was los war. Sie hatte mit einem Hinterhuf meinen Mann im Gesicht erwischt, der schräg hinten von ihr stand und sie leicht mit der Gerte angetippt hatte, damit sie in den Hänger einsteigt (War eine blöde Position, haben wir danach natürlich nie wieder so gemacht). Gott sei Dank war es nur eine dicke Prellung am Wangenknochen. Alhamdulillah. Meine Mutter kümmerte sich um ihn und ich rannte meinem Pferd hinterher. Ein paar andere Reiter hatten meine Stute eingefangen. Ich bedankte mich und brachte sie zurück zum Hänger. Dort band ich sie erstmal an und ließ sie sich erholen. Nachdem bei meinem Mann erste Hilfe geleistet worden war ( ja, die 20 Euro Preisgeld gingen dann für die Apotheke bzw Schmerzmittel drauf :-D ), und mein Pferd sich beruhigt hatte, luden wir es ein und fuhren zum Stall zurück. Dort begrüßte man mich freudig und freute sich, dass ich unter die ersten drei gekommen war. Gerne hätte ich einige Monate später am nächsten Rennen teilgenommen, aber bis dahin waren wir leider schon wieder umgezogen. 


Zwei Jahre nach diesem Rennen wurde in einem anderen Bundesland nochmal ein Amateur Rennen für Pferde aller Rassen veranstaltet, und ich wollte gerne teilnehmen. Ich habe mich zuletzt aber dagegen entschieden, auch zum Wohle meines Pferdes. Erstens waren die geforderten Papiere, Versicherungen und Abzeichen, die verlangt wurden, teilweise kurios und ich konnte auch kaum eines davon vorweisen. Und zweitens war es vorgeschrieben, sein Pferd voll beschlagen zu haben. Da mein Pferd immer barfhuf lief und auch noch läuft, wollte ich ihr nicht für das eine Rennen die Hufeisen draufmachen lassen. Das wäre ihrer Trittsicherheit so kurzfristig sicher auch nicht gut bekommen. Und einen Sturz im Rennen wollte ich nicht riskieren. 


Bilder vom Rennen: 


                                           

                        Dieses Foto ist kurz nach der Siegerehrung entstanden. Ich halte den Pokal hoch. 

                                                  My horse and me after winning the third place.




                                                     Die ersten Proberunden auf der Bahn...
                                                                  I ride some laps...



                                             Am Anfang des Rennens liege ich noch hinten... 
                                             At the beginning of the race, I am almost behind all other riders...



                                                              Erholungspause...
                                                                 Little break...




                                                   Kurz vor dem Rennen, fertig zum Start...
                                                        Shortly before the race, ready to go...





English version: 


Assalamu aleikum,


A few years ago I took part in a horse race in Bavaria, and I would also like to report on my experiences there as a Muslim. Unfortunately it has been my only race so far, as it was really a purely amateur race, and neither any papers nor certificates were required. The prize money was also very low, more of an expense allowance than a reward :-D But no matter, it was about the fun.


My husband and my mother were there on race day. After we finally got my stubborn stud in the trailer, we went to the village where the race was to take place. A racecourse was marked out in a large meadow. It was a very hot day and the racetrack was surrounded by many people with trailers and their horses and ponies.


At that time I didn't have a riding skirt, so I said to myself: sweat with dignity. I wore riding breeches so that I had a firm grip on the saddle, over that a trouser skirt, i.e. cloth trousers with a very wide cut, and over that a normal black skirt (which, however, always slipped over the knees when riding, so that is why I weared the trousers underneath). I also wore a long-sleeved T-shirt in XXL and a simple Amira hijab made of polyester. I attached it to my T-shirt with a safety pin so that it wouldn't fly up while running. Unfortunately it didn't work, I already lost the needle during the training session on site. Unfortunately I had no replacement. 


Even before the race, my mare was so wild and excited that she climbed and bucked a few times and pawed the ground. I tried to calm her down and rode a few laps across the grounds. But she did not calm down. She saw the other horses from the other races running across the square and wanted to run with them. She got wilder and wilder and was already wet with sweat before the race had started. It was her very first time to go to a public show with other horses and people. Otherwise we were always alone in the hall or in the forest, there she was much more relaxed.


The people at the tournament had long since stopped watching the race and just stared at my mare and me. Of course, a woman with a headscarf on a crazy horse is an eye-catcher. I was already wet under my riding helmet and headscarf and my head was bright red. My race was called and I rode to the start line with the other participants. I was afraid. I knew that now my horse would run wild across the square like a wild bull. Once she really ran, there was no way stopping her. That's one of the reasons why I wanted to take part in the race. I really wanted to let her go for once, because I would never do something like that off-road, it would be too dangerous. I wanted to know how fast she really gets when you get everything out of her.


The starting gun was fired when I hadn't even stood on the line. The horses dashed off ... I was in the back. But we caught up. I had already lost control of the speed, my horse ran like crazy and only had one thing in mind: to get to the top. Her will to win was unbroken. I only steered her to keep her on track and pushed her more. She ran around the first lap and caught up from almost last place to third. It went into the second and final round. Slowly my strength slackened. The distance between me and the horse in front of me grew.


"Is she a Turkish girl !?", the spectators whispered during the race when they saw me. "No, she is German!" shouted my husband in their ear (he told me that later). During the race the headscarf flew over my face and my neck was free. Very embarrassing. I hurried to cover it, but was busy getting my horse under control.


In the last corner we came too far to the edge of the track and lost valuable time. I cheered on my mare again and she caught up. We rode through the finish line as third. But that's when the race just started for us. The other participants braked their horses after half a lap and slowed down to trot or walk. Not me. As if she were out of her mind, stressed by the many people and full of adrenaline, my mare raced on. At least a lap or two around the track. Shortly before the end we almost collided with a participant who was riding in the opposite direction. At the last moment I jerked the reins and brought my horse into a circle and finally to a stop. I was out of breath. My mare danced back and forth nervously.


The winners, including myself, were called out and prizes were presented. A corpulent elderly man handed me the trophy and looked grim. He said something like "watch out that you don't run over other people. "At that moment, as I later heard on the video of the award ceremony, a young woman said:" Wasn't there a burqa ban here !! ??" While making her disparaging comment about me, the elderly man handed me the trophy grudgingly. Suddenly, my mare turned around 180 degrees and knocked the unfriendly man with the rear, so that he stumbled and almost fell. I rode away to the winning lap and galloped around the square. I only saw later on the video that my horse had knocked someone, at that moment I hadn't even noticed it, I was so excited. A little glee overcame me, my horse had shown it to these unfriendly people once! I was proud to have won the third place. In my first race. Maybe I was the only Muslim woman who ever took part in one of these races, and we had shown them that a Muslim woman can ride!


After the race we tried to load my excited horse into the trailer. She was still very nervous. In one of our attempts to lead her into the hanger, she kicked back, broke free, and bunked. It happened so quickly that it wasn't until a few seconds later that I realized what was going on. She had caught my husband in the face with a hind hoof, who was standing diagonally behind her and tapped her lightly with the whip so that she could get into the trailer (it was a stupid position, of course we never did that again afterwards). Thank Allah it was just a big bruise on his cheekbone. Alhamdulillah. My mother took care of him and I ran after my horse. A couple of other riders had caught my mare. I thanked them and took my mare back to the trailer. There I tied her first and let her recover. After first aid had been given to my husband (yes, the 20 Euro prize money was then for the pharmacy or painkillers :-D), and my horse had calmed down, we invited it in and drove back to the stable. There I was greeted happily and they were happy that I was among the top three. I would have liked to take part in the next race a few months later, but unfortunately we had already moved to another state again by then.

Two years after this race there was another amateur race for horses of all breeds in another state, and I wanted to take part. But in the end I decided against it, also for the benefit of my horse. Firstly, the required papers, insurances and certificates, which were required, were sometimes strange and I hardly possessed any of them. Second, it was compulsory to have your horse fully shod. Since my horse always ran barefoot and still runs, I didn't want to have her shoes put on for one race. That would certainly not have helped her surefootedness in the short term. And I didn't want to risk a fall in the race.











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