Body mit Pferdchen drauf |
da einige meiner Leserinnen nicht nur Reiterinnen und Pferdeliebhaberinnen sind, sondern auch Ehefrauen und Mütter, habe ich mich dazu entschlossen, hierzu einen Artikel zu verfassen. Lange habe ich gezögert, diesen Text zu schreiben, da das Thema ja bekanntlich immer sehr polarisiert und hitzig diskutiert wird. Deswegen ist das auch nur mein eigener Erfahrungsbericht und kein Musterbeispiel, ich möchte weder jemanden davon abhalten, zu reiten, noch jemanden dazu anspornen. Ich kann absolut nachvollziehen, wenn man das Reiten in der SS lieber sein lässt.
So, bevor man das Baby hat, ist man bzw frau natürlich erstmal schwanger. Und mit dem positiven Test in der Hand oder auch nur dem Gefühl, schwanger zu sein, kommen einem schon die ersten Gedanken: schwanger, Reiten, Baby - wie mache ich das? Schnell fällt einem dann die Bekannte der Cousine dritten Grades des Schwagers ein, die ihr Pferd direkt verkauft hat, als sie schwanger wurde. Oder die Schwester der Arbeitskollegin, die das ganze erste Jahr nach der Geburt nicht zum Reiten gekommen ist.
Und bevor man selbst überhaupt seine Gedanken sortiert hat, wird man von Familie und Freunden gleich mit Warnungen und Ratschlägen überhäuft, dass man das Pferd jetzt verkaufen sollte. Sie argumentieren, dass man mit dem Baby eh keine Zeit mehr haben werde, dass man, wenn man in der Schwangerschaft reitet, das Leben des ungeborenen Kindes aufs Spiel setzt, dass Pferde unberechenbar sind und "auch bei einem braven Pferd immer was passieren kann"... Teilweise haben diese Argumente ihre Berechtigung, auf das Reiten möglichst verzichten sollten z.B. Anfängerinnen und Risikoschwangere. Auch sollte man sich in der Schwangerschaft nicht auf "Problempferde" setzen, sich ein neues Pferd zulegen oder intensiven Turniersport betreiben.
Aber im Normalfall, wenn frau gesund und sportlich ist, ein eigenes braves Pferd oder eine verlässliche Reitbeteiligung hat und schon viele Jahre reitet, spricht eigentlich nichts dagegen, in der Schwangerschaft zu reiten. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden. Noch ein Vorteil vom Reiten in der Schwangerschaft ist, dass man sich um die Betreuung des Babys keine Gedanken machen muss - es ist gut versorgt in Mamas Bauch. Da kann man die freie Zeit am Stall noch gut nutzen, denn ist das Baby dann da, wird man in den allermeisten Fällen erstmal weniger Zeit am Stall verbringen und muss sich um eine Betreuung für das Baby kümmern, wenn man denn mal reiten möchte. Ich bin froh, dass ich in der Schwangerschaft noch sehr oft, fast täglich, am Stall war. Mit Baby im Schlepptau ist die "Prime Time" am Stall schon deutlich weniger geworden, aber auch das wird mit der Zeit besser in shaa Allah.
Frau in Niqab neben ihrem Pferd - darf ich schwanger noch reiten? |
Ich persönlich bin im ersten Trimester der Schwangerschaft ganz normal weitergeritten, aber immer mit dem Hintergedanken, dass gerade das erste Trimester als das gefährlichste gilt, denn hier ist die Rate der Fehlgeburten am höchsten. Auch leichte braune Blutungen können im ersten Trimester durchaus normal sein, dann sollte man mit dem Sport aber eine Weile pausieren oder sich mehr Ruhe gönnen. Bei richtigen Blutungen muss sofort der Arzt aufgesucht werden. Allgemein kann man sich ganz gut auf sein Bauchgefühl verlassen. Wenn man sich beim Reiten nicht gut fühlt, spricht nichts dagegen, eine mehrmonatige Pause einzulegen - das Pferd hat sicher nichts dagegen;-) Und gegen die leichte Übelkeit hilft es, sich einen Snack mit zum Stall zu nehmen.
Ab dem zweiten Trimester hatte ich das Problem, dass die Reitkleidung am Bauch nicht mehr passte. Eine spezielle Umstandsreithose war mir zu teuer, also habe ich eine günstige Reithose in XXL gekauft (diese hat bis zum achten Monat so gerade noch gepasst, danach ging in punkto Reithose leider gar nichts mehr, und ich bin auf so Art Hippiehosen - siehe Foto - umgestiegen, die oben einen breiten elastischen Bund haben, den ich dann über meinen Bauch gezogen habe).
Auch einen meiner Reitröcke musste ich opfern und habe ihn bei einer türkischen Schneiderin für 15 Euro im Bund erweitern lassen - eine Investition die sich auf jeden Fall gelohnt hat. War der Rock im fünften Monat noch etwas locker, so war er im neunten dann doch recht eng geworden.
Bis zum sechsten Monat habe ich beim Reiten keinen Unterschied gemerkt zu vorher, ab dem siebten Monat wurde es zusehends unkomfortabler, aber ich konnte es ja nicht sein lassen. Im Gegenteil, manchmal tat mir diese ruhige Schaukelbewegung auf dem Pferd sehr gut und auch das Baby in meinem Bauch hat dann immer geschlafen. Gerade während des heißen Sommers war mir das Reiten angenehmer als das Laufen.
Im dritten Trimester rieten mir Familie und Bekannte eindringlich dazu, jetzt aber wirklich und endgültig mit dem Sport aufzuhören und auf das Reiten gänzlich zu verzichten. Ich bin aber trotzdem weiterhin geritten, habe ihnen aber versprochen, nur noch langsam und vorsichtig zu reiten. Auf- und absteigen und generell das Reiten und die Pferdepflege hat mir alhamdulillah kaum Probleme bereitet. Meine Frauenärztin habe ich auch gefragt, ob ich weiterhin reiten dürfte (auch wenn sie nein gesagt hätte, wäre ich bestimmt trotzdem noch vorsichtig geritten, aber ich war mir sicher, dass sie ja sagen würde), und sie hatte keine Einwände (in meinem Fall!). Ich bin im letzten Trimester aber nur noch im Schritt geritten.
Diese Art Hosen habe ich im dritten Trimester unter dem Rock zum Reiten getragen |
Nach der Geburt war ich nach etwa 2 Wochen wieder am Stall und bin etwa 6 Wochen nach der Geburt wieder geritten. Das erste Mal auf dem Pferd war ich noch etwas verkrampft, aber schon beim zweiten Mal bin ich so geritten, als wäre nichts gewesen mashallah. Reiten war sozusagen meine Rückbildungsgymnastik. Ich muss dazu sagen, dass ich alhamdulillah eine natürliche Geburt hatte. Frauen mit Kaiserschnitt sollten sich mit dem Sport auf jeden Fall deutlich länger Zeit lassen.
Die ganze Aufruhr um das Thema schwanger und reiten kann ich nicht so ganz nachvollziehen. Die Argumente "Sturzgefahr", "Erschütterung" und "Unberechenbarkeit", die dem Reiten immer zugeschrieben werden, kann man problemlos auch auf viele andere alltägliche Dinge übertragen, um die auch kein Drama gemacht wird. Ich soll in der Schwangerschaft nicht reiten? Ja warum eigentlich nicht? Man muss als Schwangere einfach etwas vorsichtiger sein als sonst, thats it. Und das Risiko muss am Ende jeder für sich selbst in Kauf nehmen, ob beim Reiten oder anderswo. Und wenn jemand nicht reiten möchte, kann oder darf, der Arzt es verbietet oder man einfach ein schlechtes Gefühl hat, dann lässt man es eben für die paar Monate bleiben, da wird einem sicher kein Vorwurf gemacht ;-)
Meine Tipps für schwangere Reiterinnen:
* immer ausreichend trinken!
* nicht zu viel auf einmal machen (zum Beispiel mit dem Rad zum Stall, dann zwei Stunden reiten und noch drei Boxen ausmisten) Immer schön langsam - denn die Schwangerschaft an sich ist schon eine Art Sport.
* nur solange reiten, wie man sich gut fühlt
* nur auf vertrauten Pferden reiten
* kein Risiko eingehen (die Schwangerschaft ist nicht der richtige Zeitpunkt, mit dem Pferd die neue Geländespringstrecke zu testen!)
* mit sich selbst und dem Ehemann absprechen und einig sein, was das Reiten betrifft. Wenn das geklärt ist, die fiesen Kommentare von außen einfach ignorieren.
* eine Schwangerschaft ist zwar manchmal etwas anstrengend, aber noch lange keine Krankheit. Man darf also auf sein Bauchgefühl vertrauen.
* Dont panic! Schwanger sein ist was ganz natürliches und schönes, lasst euch von niemandem die Freude daran nehmen, es wird alles gut in shaa Allah
Ein paar Links zum Thema:
https://verwandert.de/reiten-in-der-schwangerschaft/
https://www.mein-pferd.de/besser-reiten/reiten-in-der-schwangerschaft/
https://claudia-scheler.com/7-tipps-reiten-in-der-schwangerschaft/
https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/sport-schwangerschaft-1.1085435